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2018/02/14

Gisbert zu Knyphausen - HsD Erfurt (03.02.2018)

Ist es Zufall oder Schicksal? Oder ist der Tourplaner von Gisbert zu Knyphausen womöglich doch FSV Zwickau Fan? Bereits im Sommer konnten wir das Auswärtsspiel in Meppen mit dem Sonnenaufgangskonzert auf der Sparrenburg in Bielefeld verbinden. Nun spielte Gisbert am Samstag Abend in Erfurt. Das Auswärtsspiel des Lieblingsvereins meines Mannes war auf Sonntag Nachmittag im Steigerwaldstadion terminiert. Schnell war ein Hotel in der Innenstadt reserviert - als ich dann noch enge Freunde aus Dortmund - die wir auch schon in Bielefeld im Tierpark trafen - für das Konzert begeistern konnte, war der Plan perfekt.

Ein Wiedersehen in Erfurt: Ein wundervoller Kurztrip stand uns bevor und weil die Stadt mich mal wieder so beeindruckt hat, muss ich etwas ausholen: Nach der Ankunft im Hotel am Kaisersaal - nur eine Gehminute von der Krämerbrücke entfernt - spazierten wir zunächst am Kikaninchen vorbei zu den Füchsen, wo wir leckeren Kaffee und eine Brotzeit mit Altenburger Suppe zu uns nahmen. Um fünf hatten wir dann schon einen Tisch im Gasthaus Feuerkugel reserviert. Ich war beeindruckt wie zuvorkommend der Kellner war und wie selbstverständlich er nahezu jeden Wunsch von den Lippen ablas. Ein Lokal, in dem Qualität wie Preise stimmen und auch die Kinderfreundlichkeit groß geschrieben wird. 

Anschließend verweilten wir noch beim Straßenmusiker vor der Krämerbrücke. Eine Familie tanzte, ein Einwohner legte eine schräge Choreographie hin. Mitten im Winter wurde mir in der thüringischen Landeshauptstadt warm ums Herz - es fühlte sich fast an wie in einer lauwarmen Sommernacht. Aber eben nur fast, denn sonst hätten wir dort sicherlich noch Stunden verweilen können - bevor wir gemütlich an den Schaufenstern der Krämerbrücke vorbeischlenderten...

Noch ein kurzer Abstecher ins Hotel, um unsere Tickets zu holen und schon machten wir uns auf den Weg zum Gewerkschaftshaus. Wie froh ich war, meine Begleiter dabei zu haben. Mit Googlemaps war dieser Ort gar nicht so leicht zu finden und für einen zehnminütigen Fußweg irrten wir gut zwanzig Minuten durch die Gegend: durch Möhrenstraßen, die eigentlich Mohrenstraẞen waren - und ließen uns von Museen für Volkskunde und Gesundheitsämtern in die Irre führen..

Im Hintereingang vom letzteren waren wir dann schließlich richtig und passierten pünktlich zum Beginn der Vorband den Einlass. Mark Berube gefiel mir stimmlich ganz gut, begleitet wurde er von Cello und teilweise Posaune. Während seines 40 minütigen Auftritts versuchte der Kanadier sich auch an deutschen Ansagen, was sehr sympathisch rüberkam. Das Erfurter Publikum empfand ich unter dessen als rücksichtsvoll, da wurde nicht gedrängelt oder geschubst, sondern noch freundlich gefragt oder angestubst, wenn man vorbei wollte. Da es nicht ausverkauft war, war es aber wohl sowieso luftiger als ich es bei Kettcar in Erlangen erlebt hatte. 

Kurz nach neun betrat Gisbert dann die Bühne. Ich traue es mir kaum zu sagen, aber: Die ersten Lieder enttäuschten mich. Vorwiegend Lieder aus seinem neuen Album, darunter auch das wunderbare "Unter dem hellblauen Himmel". Das Album wirkt auf mich ruhig und besinnlich, weckt in mir Assoziationen an einen Herbstspaziergang. Gisberts unverwechselbare Stimme ist dort stets im Vordergrund. Live wirkte sie nun fast etwas angegriffen von der langen Tour. Zudem übertönte die Band ihn - mir persönlich war es zu laut, die Akustik wirkte noch nicht ganz ausgefeilt.

Der Kid Kopphausen Song "Das Leichteste der Welt", den ich so liebe - und bei dem auch das Erfurter Publikum unglaublich abging -, hatte auf der Sparrenburg so viel mehr Charme. Da war ich noch gespannt wie Gisbert am Ende Bass und Schlagzeug nur mit seiner Gitarre imitieren wollte. Rückblickend beeindruckte er mich mit dieser Reduktion auf das Wesentliche viel mehr als mit kompletter Band auf der Bühne. "Sommertag" hatte ich dagegen in Bielefeld vermisst und hier passte der "Krach", weil es eben ein sehr impulsives Stück ist.

Erst als er nun auch in Erfurt mehr und mehr reduzierte und die Lieder begannen akustischer zu klingen, erkannte ich wieder den Gisbert wegen dem ich so gern zu diesem Konzert wollte. Zum Beispiel bei "Ich bin ein Freund von Klischees und funkelnden Sternen" und "Dreh dich nicht um" aus dem Vorgängeralbum. Für "Kommen und gehen" - dem Lied, das mir emotional besonders nah geht, beschränkte sich Gisbert sogar nur auf das Piano. "So seltsam durch die Nacht"- von Gisbert als weiterer alter Schinken angekündigt - punktete bei mir durch den Einsatz der Melodika. Zwischendurch mit "Neues Jahr" und "Wer bin ich" leider wieder zwei Stücke, die ich eigentlich sehr mag, mir live jedoch zu überdröhnt wirkten. Dafür überzeugte mich bei "Keine Zeit zu verlieren" das Zusammenspiel der Band, bestehend u. a. aus Bass, Trompete, Posaune und Schlagzeug.

Wer Gisbert live besucht, sollte keine großen Ansagen erwarten - umso mehr gibt es gute Musik am Stück. Einmal kommentierte er, dass er froh über die defekte Heizung sei, weil sonst alle dahinschmelzen würden. Auf einen Kommentar im Publikum reagierte er dann mit der Bescheidenheit, die ich so an ihm mag und zeigte auf seine Band: "Ja klar, bei diesen charmanten Herren auf der Bühne". Später verwies er den geselligen Kaffeeklatsch aus der ersten Reihe freundlich aber deutlich an die Bar, weil ihn das Gequatsche irritieren würde. Eine Thüringer Schnauze neben uns ließ es sich nicht nehmen, diese Aktion später aufzugreifen als sein Kumpel zu reden anfing: "Geh doch in die erste Reihe, wenn du quatschen willst".

Vom neuen Album spielte Gisbert bis auf das instrumentale Stück wirklich alles. Somit hätte ich mir vielleicht noch das ein oder andere Lied aus den Vorgängeralben gewünscht. Insgesamt war ich mit der Auswahl aber doch sehr zufrieden. Insbesondere bei der zweiten Zugabe "Etwas besseres als den Tod finden wir überall", kam bei mir wieder Wehmut auf, die Band Kid Kopphausen nie live mit Nils Koppruch erlebt zu haben. Immerhin kam auch an diesem Abend rüber, wie viel Freude es Gisbert macht mit den Leuten auf der Bühne zu stehen, die er sich für diese Tour ausgewählt hat.

"Wir sehen uns wieder ganz bestimmt. Irgendwann."

Momentan kann ich mir ein weiteres Konzert mit Band in einem Saal nicht vorstellen - am ehesten vielleicht wieder in ein paar Jahren auf dem Heimspiel Knyphausen in Eltville (wie 2014). Im Sommer war ich noch gespannt, bald wieder den Kontrast mit Band zu erleben. Im Nachhinein haben mir die Interpretationen mit Vibraphon besser gefallen - dafür spielte er in Erfurt ein gutes Stück länger als auf der Sparrenburg. Nach fünf Zugaben beendete Gisbert das Konzert um 22:50 Uhr mit "Haus voller Lerchen".

Wegen einer wirren Idee warteten wir auf Empfehlung von Michael Flury (Posaune) noch Backstage. Erwischt haben wir dann nur den Mann mit Hut (Martin Wenk, Trompete), der uns leider auch nicht helfen konnte. Noch einmal "Backstage" geklingelt, mussten wir die Aktion mangels eines verfügbaren Stifts schließlich für gescheitert erklären. Halb so schlimm, nur kalt war es.

Nach einem gemütlichen Hotel-Frühstück am Sonntag, das kaum einen Wunsch offen ließ, verbrachten wir fast den ganzen Tag schlemmend in Erfurt: erst probierten wir uns beim Eiskrämer durch, dann ließen wir uns leckeren Kuchen in der Goldhelm Werkstatt schmecken. Die drei Auswärtspunkte für Zwickau waren schließlich das Sahnehäubchen. 

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