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2014/08/01

Leipzig | 19. -21. Juni 2014

Leipzig, mein Leipzig. Wie habe ich dich vermisst. Wie konnte ich dich nur solange im Stich lassen. Immer wieder, wenn ich in diese grüne Stadt einfahre, denke ich mir: Hier bleibe ich, hier will ich nicht mehr weg. Wenn ich sie verlasse, macht sich Sehnsucht breit. Im Juni verbrachte ich nach langem wieder zweieinhalb Tage in meiner Herzstadt. Ein befreundetes Pärchen zog nach Lindenau und so werden wir vielleicht demnächst wieder häufiger zu Besuch sein. Wohnen sie doch nur sieben Gehminuten von unserer Unterkunft in Plagwitz entfernt.


Plagwitz, mein Plagwitz. Seit zwölf Jahren schon finde ich dort immer Asyl. Ich fühle mich dort wie zuhause und doch hatte ich keine Ahnung wie viele schöne Ecken es dort tatsächlich zu entdecken gibt. Begeistert von unserer Dublin Tasting Tour, schaute ich, ob es ähnliche kulinarische Stadtführungen in Deutschland gibt und tatsächlich: Eat the world. Die wohl schönste Art eine Stadt kennenzulernen. Zu dieser Erkenntnis kam ich auch während unserer Plagwitz Tour im Juni.

Treffpunkt war an der Könneritzstraße. Von da aus liefen wir ein ganzes Stück und erfuhren viel über die Entwicklung zum Industriestandort bis die erste Kostbarkeit auf uns wartete. Im Meins gab es hausgemachte Bouletten und Lipz Schorle. Friedrich's Mama, die Inhaberin, erzählte uns von ihrem Konzept. Wie ich diese jungen Menschen bewundere, die einfach ihr Ding durchziehen. Mit welcher Leidenschaft sie dahinter stehen. Ein plötzlicher Regenschauer ließ uns länger als geplant dort verweilen, aber ich hätte auch gern mehr Zeit in diesem gemütlichen Wohnzimmer verbracht.

Vorbei an unserem liebsten Marokkaner Casablanca ging es zur Klosterbäckerei Seidel, wo wir vom traditionellen Schnurzelbrot probierten und auch bei den Mandelbuchteln nicht widerstehen konnten. Bereits gut gesättigt, folgte auf der Karl-Heine-Straße nun eine Köstlichkeit der nächsten. Das Kartoffelfräulein begeisterte mich so sehr, dass ich den frisch Zugezogenen am Abend gleich noch drei Kartoffeln - orientalisch, vegetarisch, vegan - vorbeibrachte. Einfache Ofenkartoffeln mit raffinierten Füllungen, große Portion zum kleinen Preis. Weiter ging es zum Café Albert - an der Hauswand gegenüber findet man übrigens das Wort "Liebe" - wo Paninis darauf warteten von uns verspeist zu werden. Ganz nett, dachte ich. Und erlebte eine kleine Geschmacksexplosion. Warmer Ziegenkäse mit Feigensenf - das muss man sich wahrlich auf der Zunge zergehen lassen.


Nach einem exklusiven Einblick ins Westwerk - sogar für die Touristenführerin war es eine Einmaligkeit - liefen wir nun wieder ein Stück am Karl-Heine-Kanal entlang. Viel Zeit zum Verdauen blieb nicht, denn schon war es Zeit für die Volle Rolle: Lecker gefüllte Wraps. Als wäre es mit den wunderbaren Eindrücken nicht schon genug gewesen, erwartete uns noch eine ganz besondere Neuentdeckung: Der Hinterhof in der Holbeinstraße. Mit einem sehnsüchtigen Blick an der Kaffeerösterei vorbei, ging es in die hinterste Ecke zur Suppenküche Bramm Royal.

Zur Auswahl standen: Karotten-Apfel-Suppe mit Hackfleischbällchen, Blumenkohl-Tomaten-Suppe sowie Armenische Aprikosensuppe. Ein Glück, dass die Menschen in Leipzig so herzlich und offen sind. So tauschte ich auf den letzten Löffeln die Suppenschüssel mit unserer Touristenführerin und konnte letztendlich von jeder Suppe mal probieren. Mein Favorit: Die Armenische Aprikosensuppe. Einmalig! Unsere Tour neigte sich dem Ende zu. Den krönenden Abschluss bildeten zwei Kugeln Eis vom Tonis: Vanille sowie Himbeer-Thymian. Genau mein Ding.

Wir ließen es uns nicht nehmen, den Weg zurück zur Kaffeerösterei RöstGut zu gehen. Ebenfalls sehr zu empfehlen - da sind Kenner am Werk. Diese kulinarische Entdeckertour hat sich mehr als gelohnt und ich kann es nur jedem ans Herz legen, eine Stadt auf diese Weise kennenzulernen. Am nächsten Tag war auf der Karl-Heine-Straße übrigens "Westbesuch" angesagt. Flohmarkt, Kulinarisches, Live-Musik - den ganzen Tag. Gern hätte ich mehr Zeit mit Schlendern dort verbracht, doch leider hieß es am nachmittag wieder von meiner Herzstadt Abschied zu nehmen.

Auch wenn ich mich wohl bei meinen nächsten Besuchen noch mehr auf Plagwitz fokussieren werde, hat Leipzig natürlich noch so viel mehr zu bieten. Jedes Mal entdecke ich was Neues. Wer gerne in den Zoo geht, sollte in jedem Fall dem Leipziger Zoo einen Besuch abstatten. Wer aber nicht den ganzen Tag dort verbringen will, kann einfach ein paar Meter ins Rosenthal spazieren und wird schon bald einen Giraffenkopf erblicken. Bisher liebte ich auch das Radfahren in Leipzig. Allerdings gilt das wohl nur, wenn man ein ganzes Stück durch die grünen Parks und Wälder zurücklegen darf. Und am besten noch in einer lauwarmen Sommernacht an der Sachsenbrücke vorbeikommt, wo sich die Menschen um die Straßenmusker versammeln oder einfach nur nett auf der Brücke beisammensitzen. Auf den Straßen, teilweise Kopfsteinpflaster, macht es weniger Spaß.

Alternative Einkaufsmöglichkeiten gibt es allerlei auf der Karl-Liebknecht-Straße, liebevoll Karli genannt. Dort reiht sich eine Kneipe an die andere. Im Moment erinnere ich mich namentlich nur an das Puschkin, wo wir eine leckere Currywurst verspeisten. Nicht weit von der Karli entfernt, erreicht man den Fockeberg, von dem man eine tolle Aussicht über Leipzig hat. Wer es zeitlich nicht aus der Innenstadt heraus schafft, kann für wenig Geld auch mit dem Aufzug zur Aussichtsplattform "Panorama Tower" hinauf. Dieser befindet sich im City-Hochhaus am Augustusplatz. Oh, und ein Muss ist für mich das Museum in der "Runden Ecke" in den Räumen der ehemaligen Bezirksverwaltung der Staatssicherheit. Die Schicksale der Menschen in der DDR sowie die Arbeitsmethoden der Stasi werden einem hier sehr authentisch vor Augen geführt. Auch das Zeitgeschichtliche Forum befasst sich mit der Geschichte des geteilten Deutschlands. Eintritt frei.

Wenn ich an das kulinarische Leipzig denke, fallen mir noch ein: Die Handbrotzeit - der Renner auf jedem Festival. Der erste Laden wurde direkt in der Nikolaistraße eröffnet, sonntags geschlossen. Café Cantona (Windmühlenstraße 29) - wäre der Inhaber nicht der Bruder einer Kollegin wäre ich vielleicht nie drauf gekommen. Jeden Tag wechselnde und raffinierte Gerichte - überschaubar, aber für jeden ist was dabei, und so weiß man, dass alles wirklich frisch zubereitet wird. Jederzeit wieder. Das Barfußgässchen ist natürlich auch schön im Sommer. Das hat Flair, ist mir aber wohl zu touristisch und überfüllt. Am Ende lande ich doch wieder in Plagwitz. Neben den bereits genannten Lokalen, kann man gut in der Schaubühne Lindenfels essen und im ersten Stock des Noch besser Leben kann man ein kleines Wohnzimmer entdecken, in dem regelmäßig Konzerte stattfinden.

Und überhaupt liebe ich Leipzig für seine Menschen und ja, viele werden es nicht verstehen, auch für den Dialekt. Nicht den Dialekt aus den Comedy-Sendungen, sondern den der jungen, gebildeten Leipziger(innen)... da könnte ich stundenlang zuhören. Hinzu kommt diese Herzlichkeit und Aufgeschlossenheit. Da sitzt man plötzlich mit den beiden Menschen - die man drei Monate zuvor zum Wohnzimmerkonzert empfing - auf dem Balkon, löffelt mit Oreo-Keksen 'gepimpte' Paradiescreme und erzählt sich was. Und abends findet man sich auf dem Sommerfest der Erziehungswissenschaftler wieder. Umgeben von all diesen hübschen Menschen, die so schön sprechen und so schlaue Sätze sagen wie: "Jetzt noch die Bachelor... die kann ja nur noch fertig werden." Das sind diese Momente, die das Leben in jeder Sekunde lebenswert machen.

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