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2014/07/31

Heimspiel Knyphausen - Eltville (26. - 27.07.2014)

Glück, Wein und gute Musik.

Besser lässt sich dieses wunderbare Wochenende kaum beschreiben. Und doch gibt es so viel mehr Worte, die mir in den Sinn kommen, wenn ich an dieses kleine Festival zurückdenke. Besonders passend hat es Francesco Wilking (Die Höchste Eisenbahn) ausgedrückt: "Wir haben schon viel von diesem Festival gehört, aber das hier übertrifft alle Erwartungen."

Am Samstag reisten wir mit der Bahn aus Wiesbaden an und spazierten ein kleines Stück durch die niedliche Altstadt von Eltville ehe wir den Draiser Hof erreichten. Am Einlass bekam jeder von uns eine Plastikmünze mit der wir uns ein Festivalglas abholen durften. Anschließend führte uns der Weg zu den Toiletten. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich noch nie so saubere Toilettenwagen bei einer öffentlichen Veranstaltung gesehen habe. Aber gut, dachte ich mir, abwarten, wie sie am Ende des nächsten Tages aussehen würden. Um dieses eigentlich nebensächliche Thema gleich am Anfang abzuschließen: Sie waren am Sonntag abend immer noch sehr sauber, obwohl ich nie eine Reinigungskraft sah und auch keine fünfzig Cent verlangt wurden. An dieser Stelle schon einmal großes Lob an die Veranstalter. Wieso bekommen das andere nie hin?

Inmitten all der glücklichen Menschen suchten wir uns einen Platz, breiteten unser Strandtuch aus und blickten voller Vorfreude zur Bühne. Nachdem wir uns mit einer Flasche Rosé vom Weingut der Familie Knyphausen eingedeckt hatten, konnte der Abend beginnen. Gisbert zu Knyphausen trat auf die Bühne - oh, ich könnte diesen Mann stundenlang anschauen - um die "Heimspiel Hoffnung" vorzustellen, die das Festival eröffneten: Sarah and Julian Muldoon. Musik, um die Seele baumeln zu lassen. Alle saßen gemütlich auf ihren Decken, tranken Wein und ließen sich von der Musik berieseln. Die zarte, klare Stimme der Sarah war in völligem Einklang mit der ihres Bruders. Die Akustik hätte kaum besser sein können und Gespräche, die an einen Bienenschwarm erinnerten, schienen sich auch in Grenzen zu halten. Was zählte, war einzig und allein die Musik.

Das ist das Besondere an diesem Festival: Es ging nicht darum wild zu flirten oder sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken - bis auf zwei Ausnahmen - sondern einfach darum eine wunderbare Zeit mit anderen Musikliebhabern bei gutem Wein - es gab tatsächlich kein Bier - vegetarischen Speisen und Wildschweinbratwurst zu verbringen. Selbst Kinder waren willkommen und eine schwarze Katze zögerte nicht, sich auf ihrem Hofspaziergang von den Festivalbesuchern streicheln zu lassen. Ins Herz schloss ich auch ganz schnell den Baron zu Knyphausen, der mit all seinen fünf Söhnen auf die Bühne trat und die Geschichte des Weinguts erzählte.

Als den Menschen mit dem größten Herz stellte Gisbert seinen Kollegen Olli Schulz vor - unglaublich, dass ich den Beiden vor vier Jahren am Fahrkartenschalter in Hannover begegnete. Beim Heimspiel Knyphausen war Olli zugegeben sehr verplant. Man könnte fast meinen, er war mehr damit beschäftigt seine Gitarre zu stimmen als Musik zu spielen. Trotzdem war er wie immer liebenswert und auch nach dem siebten Mal würde ich ihn mir immer wieder live ansehen. Die neuen Lieder haben mich nicht überzeugen können, doch zum Glück erinnerte er auch in Eltville an die musikalisch geniale Zeit mit dem Hund Marie. Für Lacher sorgte er mit dem spontanen Winzer Song und einem 'Freestyle'. Unvergesslich bleibt der Moment als alle Besucher mit ihm zusammen Wonderwall sangen. Inmitten dieser Idylle der Weinreben und der untergehenden Sonne.

Während bisher alle auf ihren Decken sitzend der Musik lauschten, erhob sich nahezu jeder als Käptn Peng & die Tentakel von Delphi die Bühne betraten. Nun wurde es deutlich tanzbarer, aber so ganz folgen konnte ich den schnellen Texten leider nicht immer. So war ich ganz froh, wenn Robert Gwisdek seine poetische Ader gelegentlich ohne Musikbegleitung zeigte. Respekt verdient er für seine lockere Reaktion auf die Dame, die plötzlich im BH neben ihm auf der Bühne tanzte. Mir gefällt seine Stimme und Art, aber nach fast zwei Stunden hätte ich vielleicht lieber "Unten mit dem King" Olli Schulz "Durch die Nacht" getanzt.

Nach Wiesbaden kamen wir mit dem letzten Linienbus zurück - unser Glück, denn die eingesetzten Sonderbusse waren nicht aufgetaucht, wofür sich der Baron am nächsten Tag entschuldigte. Um uns das zu ersparen, reisten wir am Sonntag frühzeitig - Die Höchste Eisenbahn machte gerade den Soundcheck - mit dem Auto an. Das klappte übrigens wunderbar - konnte man doch kostenlos am Draiser Hof parken. Direkt neben den Weinreben war dies zwar eine kleine Herausforderung, aber der Einweiser war sehr hilfsbereit (leider war am Abend keine Hilfe mehr da). Die Zeit vor dem Einlass verbrachten wir damit noch am Rhein entlang in die Altstadt zu spazieren. Hach.

Erneut bekamen wir Weingläser, die wir - wie die Gläser am Vortag - als Erinnerung mit nach Hause nehmen durften. Die Veranstalter machten es einem wirklich schwer etwas auszusetzen. Beeindruckt von dieser Sauberkeit und Idylle genoss ich es barfuss über das Weingut zu schlendern - bis ich dann doch in eine Glasscherbe trat. Auf Zehenspitzen lief ich dorthin, wo ich am Tag zuvor einen Sanitäterwagen gesehen hatte. Als ich diesen nicht entdeckte, sprach ich den Baron an, der sofort das Telefon zückte, um nachzufragen, wo der Sanitäter blieb. Diese Freundlichkeit auf dem Gut zog sich wirklich das ganze Wochenende durch. Es lief gewiss nicht alles reibungslos - so war das kulinarische Angebot am Veggiestand vorzeitig ausverkauft, auch die alkoholfreien Getränke neigten sich früh dem Ende. Insgesamt konnte das die Stimmung jedoch nicht trüben.

Wenige Minuten später kam mein Retter durch die Einfahrt. Ein Junge schleichte mit seinem Kettcar um ihn herum und war begeistert als er mich sah - konnte er nun doch endlich mal dabei zuschauen, wie jemand verarztet wurde. In der Zwischenzeit hatten Pallet bereits den zweiten Festivaltag eröffnet - eine Band aus Teheran, die Gisbert durch die Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut kennenlernte. Vereinzelt wurde getanzt, besonders sympathisch kam der Gastgeber rüber, der mit seiner Freundin inmitten der Zuschauer stand und sich nicht scheute ihr einen Kuss zu geben, als er sich für zwei gemeinsame Lieder zu Pallet auf die Bühne verabschiedete. Das macht deutlich, dass er hier trotz all der Fremden ganz er selbst sein konnte - zuhause eben, wo er aufgewachsen ist. Pallet begeisterten das Publikum und irgendwann hatte sich auch der Letzte von seiner Decke erhoben, applaudierte und tanzte zu den orientalischen Klängen.

Während es am Samstag anfangs noch ein gemütliches Beisammensitzen zu guter Musik war, ruhten sich die Festivalbesucher am Sonntag eigentlich nur zwischen den Pausen auf ihren Picknickdecken - oder Hängematten - aus. Obwohl ich Die Höchste Eisenbahn bereits Anfang Juni im Astra Berlin gesehen hatte, war es diesmal doch wieder was ganz Besonderes. Sie begannen das Konzert mit einem anderen Lied als in Berlin und interpretierten erneut jedes Lied ein bisschen anders als man es kannte. Am Nachmittag hatte ich Francesco Wilking noch vor der Bühne gesehen, wie er sich mit seiner - scheinbar - Tochter eine Bratwurst teilte. Während des Konzerts gesellte sich Martha dann zu ihm auf die Bühne und entpuppte sich als die Kinderstimme von "Was machst du dann". Genial! Nun habe ich immer dieses hübsche, fröhliche Mädchen vor Augen, wenn ich das Lied höre.

Mein Höhepunkt war eindeutig der Auftritt von Gisbert zu Knyphausen mit der Kid Kopphausen Band. Auf die Bühne gerufen wurde er von seinem Vater und seinen vier Brüdern. Das verdeutlichte nochmal diese familiäre Atmosphäre, die das ganze Wochenende zu spüren war. Das erste Mal seit dem plötzlichen Tod von Nils Koppruch ist die Kid Kopphausen Band wieder zusammen unterwegs. Die Lieder haben alle einen neueren 'Anstrich' bekommen, um zu verdeutlichen: Nils kann man nicht ersetzen. Aber seine Musik lebt weiter. "Das Leichteste der Welt" wurde als zweites gespielt und brachte ich mich direkt in sentimentale Stimmung. Inmitten dieser von Musik betrunkenen, tanzenden und singenden Menschen diesen einzigartigen Moment zu erleben - unbezahlbar:

"Alles gerät in Bewegung, der ganze Raum fängt an zu schwingen. 
Und ich höre eine engelsgleiche Stimme und viele mehr die mitsingen. 
Sie singen 'never mind the darkness, baby, you will be save by rock'n'roll."

1 Kommentar:

  1. Was für ein schöner Bericht! Vielen Dank dafür! Leider relativiert dein Erlebnis mit der Glasscherbe meine Behauptung, es habe keine kaputten Gläser gegeben, ein wenig ;). Aber so ist das mit den unterschiedlichen Wahrnehmungen :).

    Falls dich mein Artikel über das Festival interessiert, findest du ihn hier: www.dort-wo.de/heimspiel-knyphausen-in-eltville-am-rhein-26-und-27-juli/

    Viele Grüße!

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