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2014/06/06

Die Höchste Eisenbahn - Astra Berlin (01.06.2014)

Bevor ich zum Konzertbericht komme, muss ich wohl etwas ausholen: Vielleicht lag es ein wenig an dem plötzlichen Tod von Nils Koppruch im Oktober 2012. An der Tatsache Kid Kopphausen nie mehr in ihrer ursprünglichen Konstellation erleben zu dürfen. Vielleicht war es auch einfach der Wunsch zwei Vollblutmusiker, die sich ebenfalls für ein gemeinsames Musikprojekt zusammengetan hatten, in einem kleinen Club inmitten der Haupstadt mit ihrer Band zu sehen. Zwar wusste ich - trotz großartiger Kritiken - nicht so recht, ob ich 'Schau in den Lauf, Hase' wirklich mehr als gut fand. Aber aus irgendwelchen Gründen hatte ich den Drang zu diesem Konzert zu gehen.

Die Karten für das Zusatzkonzert von Die Höchste Eisenbahn im Lido Berlin sicherte ich mir bereits Anfang des Jahres - aus Angst es sei auch bald ausverkauft und weil zu diesem Zeitpunkt noch kein Termin in Franken bekannt war. Aufgrund der großen Nachfrage wurde es dann aber ins Astra verlegt. Auch wenn ich weder das eine noch das andere kannte, senkte dies meine Vorfreude, hatte ich mich doch auf einen kleinen Club gefreut. Als dann klar wurde, dass ich sie Ende Juli auch beim Heimspiel Knyphausen sehen würde, haderte ich immer mehr mit mir. Die Karten verkaufen? Im Berliner Bekanntenkreis konnte jedoch keiner was mit ihnen anfangen und solange es nicht ausverkauft war, erschien es mir auch zwecklos sie in der Ticketbörse anzubieten.

Wir machten uns also doch auf den Weg nach Berlin. Begleitet von der Musik, von der ich immer noch nicht recht wusste, ob sie mir besser als nur gut gefiel. Mal fasziniert, mal (kultur-)schockiert schlenderten wir durch die Straßen Neuköllns und Friedrichhains. Fragten vermeintliche Berliner nach dem Astra und erhielten ein Schulterzucken als Antwort, kamen dann aber doch zu unserem Ziel. Nach dem Einlass schauten wir uns kurz drin um, ließen uns dann aber noch ein paar Minuten im Biergarten auf den Sitzen alter Zugabteile nieder. Das Berliner Flair stimmte schon mal.

Pünktlich um 20 Uhr tönte Klaviermusik durch den Raum. Lambert. Nun ja. Ich habe nichts gegen klassische Musik. Ich mag Klavierstücke. Aber bei einem Stehkonzert... gewöhnungsbedürftig. Das trifft den Auftritt ganz gut. Mir war er nicht sympathisch. Mag vielleicht auch an dieser Maske liegen. Markenzeichen oder Geheimniskrämerei hin oder her. Da fehlt die Authentizität, die ich an Liedermachern so schätze. Folgenden Dialog lass ich einfach mal so stehen: Lambert - "Wie spät ist es?" Stimme aus dem Publikum - "Halb neun." Es war erst viertel neun.

Es konnte nur besser werden. Und in dem Moment als Gisbert an mir vorbei zum Backstage lief, wusste ich: Ja, das wird es. Allein um ihn zu sehen, hatte sich die Reise schon gelohnt. Hach, hach. Kurz nach neun wurde es langsam wirklich 'höchste Eisenbahn' und so betraten Francesco Wilking, Moritz Krämer, Max Schröder und Felix Weigt endlich die Bühne. Die letzte Station ihrer Tour und es gäbe nichts Schöneres für sie als zum Abschluss an diesen Ort zurückzukehren. "Schön, dass ihr da seid", sagte die Band. "Schön, dass ihr da seid" kam das Echo aus dem Publikum zurück.

Überrascht war ich als bereits nach drei Liedern die ersten Takte der großartigen 'Vergangenheit' ertönten. Gut zehn Minuten sollte dieses Stück dauern und damit mein absoluter Höhepunkt gleich zu Beginn. An der Stelle, wo ich Judith Holofernes erwartet hätte, trat Gisbert zu Knyphausen auf die Bühne. Dann wird er sie wohl vertreten, dachte ich. Wunderte mich aber über die unbekannte Strophe, die er da zusammenreimte. Die Erklärung wartete nicht lang auf sich: Judith gesellte sich dazu, passenderweise scheinbar ein Butterbrotpapier in der Hand. Leider um wohl den Text von diesem abzulesen. Wenn es denn sein muss. Aber Kaugummi kauen auf der Bühne geht irgendwie gar nicht. Egal: Es ist und bleibt einer der vielen wunderbaren Momente an diesem Abend.

Aber nur einer davon. Denn neben den großartigen Musikern auf der Bühne, stach eine Person ganz besonders hervor. Eine der drei Backgroundsängerinnen. Im ersten Moment glaubte ich Nora Tschirner auf der Bühne zu sehen. Auch wenn sie es nicht gewesen ist, so hatte sie doch eine ebenso wundervolle natürliche Ausstrahlung. Man sah ihr an wie viel Spaß sie auf der Bühne hatte und ich hätte ihr stundenlang zusehen können. Wie sie vor Freude hüpfte, sich im Takt der Musik bewegte, sich bei der Band vergewisserte, wann ihr Einsatz kam, dann doch beinahe zu früh einsetzte, trotzdem lachte, dabei auch noch so gut und glücklich aussah und weitertanzte. Wow!

Die Höchste Eisenbahn haben nicht viele Worte über ihre Lieder verloren. Aber das machte nichts. Sie spielten ihre Platte nicht einfach runter, sondern verliehen in den gut eineinhalb Stunden jedem Lied das gewisse Etwas. Fast immer hielten sie eine kleine Überraschung parat, begeisterten das Publikum. Und das Berliner Publikum gab ihnen all das auch wieder zurück. Mit unaufgefordertem Klatschen kurz bevor es hieß: "Die Meute klatscht Applaus". Und dem ganz selbstverständlichen "Was machst du dann"-Chor. Obwohl ich die Background-Sängerinnen großartig fand und sie ruhig hätten öfter auf der Bühne stehen können, war es doch irgendwie eine positive Überraschung, dass bei diesem Lied auf sie verzichtet wurde und sich die Band ganz auf das Publikum selbst verließ.

Am Ende standen alle Mitwirkenden des Abends noch einmal gemeinsam auf der Bühne, um über das meist diskutierte Thema der Welt zu singen: Das Wetter ('Der Himmel ist blau'). Was für ein toller Abschluss. Kleines Manko: Die Akustik ließ nach den ersten paar Liedern leider immer mehr zu Wünschen übrig. Irgendwie ein wenig überdröhnt. Aber insgesamt war es ein so großartiger, einzigartiger Abend. Was bin ich froh, dass ich die Karten nicht anderwertig losbekommen habe.

Und in acht Wochen springen wir wieder auf den Zug auf. Ich freu mich drauf und höre 'Schau in den Lauf Hase' weiterhin rauf und runter, weil es ein wirklich gutes Album ist.

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